Hungerbaum
Beim Hungerbaumaufstellen wird einem Paar, das es trotz siebenjähriger Beziehung „nicht geschafft“ hat, zu heiraten, ein junger Baum in den Garten gepflanzt. Das „beschenkte“ Paar muss nun an jedem Jahrestag ihrer Beziehung alle zu Essen und Trinken einladen, die ihnen diesen Baum geschenkt haben. Dies gilt solange, bis das Paar heiratet (Begriffserklärung siehe auch Wikipedia).
Eigentlich ist das Aufstellen eines solchen Hungerbaumes (noch) kein fester Brauch in unserem Gebiet. Da dies aber eine lustige Sache ist, entschloss man sich, das Hungerbaumaufstellen auch bei uns einzuführen.
Die folgenden Bilder dokumentieren nun das aufstellen des 2. Hungerbaumes der Schnoat durch die „Schnoater Hochzeitschiaßa“ (siehe dazu Hochzeitschiessen).
Geschichte
Meine Oma ist 1909 geboren und berichtete viel ab der Zeit wo sie sich erinnerte, so ab der Zeit seit des ersten Weltkrieges, was es an wirtschaftlichen Entbehrungen und familiären Veränderungen gab, vor und nach den beiden Kriegen. Außerdem erzählte meine Oma viel von Werten, Bräuchen und Traditionen die es in der Zeit in unserer Region gab. Welche von den Nazis missbraucht und deshalb an Bedeutung verloren haben oder in neutrale Bräuche umgewandelt wurden, wie sich die Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur wandelte. Wie sich langsam nach dem Krieg so einzelne Bräuche und Traditionen wieder entwickelt haben oder wiederbelebt wurden.
Doch den Brauch einen Hungerbaum zu setzen gab es nicht mehr. Zumindest nicht bis zum Jahr 2002 bis sie mit 93 Jahren verstarb. Meine Oma formulierte es so: es gibt ja auch Gott sei Dank bei den Großbauern keine von den Eltern arrangierten Hochzeiten mehr, so wie es teils bis 1920 und 1930 noch üblich war, von welcher Zeit die mündlichen Berichte meiner Oma handeln, an die Sie sich erinnerte mit dem Pflanzen eines Hungerbaumes für den sturen Altbauern der den Hof nicht an seinen Sohn weitergeben wollte.
Als dann wenige Jahre nach ihrem Tod 2002 die Tradition des Pflanzens eines Hungerbaum wiederbelebt wurde, waren bei vielen Leuten in meiner Region die Tradition nur noch bruchstückhaft bekannt. Teils lag es am Desinteresse der Jugend in den 60er, 70er , 80er Jahren die mit Traditionen wenig am Hut hatten, es als altfaderisch betrachteten. Die Amerikanisierung in den Wirtschaftswunderjahren verdrängte viele bis dahin gelebte Traditionen. Viele ältere wollten auch die schlechten Jahre zuvor einfach verdrängen und viele junge Männer sind vom Krieg nicht mehr zurückgekehrt um solche Traditionen weiterzugeben.
Früher waren ja gerade solche Traditionen überwiegend von den jungen Burschen geprägt, zudem ließ sich heute auch keiner mehr, zumindest in unserem Kulturkreis, eine Hochzeit durch die Eltern arrangieren. Somit hat sich auch in meiner Region der Brauch gewandelt. In meiner Region gibt es nach wie vor, so wie früher, einen vertrockneten hohen dürren Baum mit vielen Ästen der mit alten nicht mehr benötigen Gegenständen behängt wird und somit die alte Symbolik wiederspiegelt.
Hungerbäume gibt es bei uns auch nur an Höfen, kleinen Anwesen oder früheren Hofstellen und nicht in der Siedlung (wie es die Sendung Quer beim BR zeigte). Von Gesetzen, Regeln und Sprüchen wie es sie in manchen Regionen mittlerweile üblich sind hat mir meine Oma nie berichtet. Das ist auch bis heute in meiner Region nicht üblich. Früher waren die Leute bescheidener. Es reichte wenn die Leute einen Schnaps erhielten.
Das junge Paar hatte in früherer Zeit ja sowieso kein Geld. Es arbeitete ja nur für Kost und Logie am elterlichem Hof mit und bekam Taschengeld nur für bestimmte Festtage. Der sture Altbauer bzw. Hofbesitzer hätte sich sowieso nicht verpflichtet gesehen Getränke oder Brotzeit zu spendieren, nur der Anfechter motivierte alle Beteiligten mit Schnaps zum Pflanzen eines Hungerbaumes. Früher galt es als Schande genug das dürre Stangerl am Hof zu haben und verachtet zu werden von der ganzen Gemeinde.
Quelle
Die Quelle zum Thema Hungerbaum bezieht sich auf die Erlebensberichte meiner Oma und ihren älteren Geschwistern, die am alten Brauch wie es früher üblich war noch beteiligt waren und hierzu die nettesten Geschichten mit Einzelheiten davon erzählten und teilweise noch herzhaft darüber lachen konnten. Bei verwandtschaftlichen Treffen in unserer Stube wurden solche Erlebnisse immer wieder aufgewärmt. So erhielt ich auch durch ihre Geschwister Info zu vielen Themen und Bräuchen in dieser Zeit. Meine Oma hatte sieben Geschwister die von 1875-1911 geboren wurden.
Die Geschichte ist mir zugetragen worden von jemandem aus der Region im Altlandkreis Wasserburg, Haager Land und dem östlichen Landkreis Ebersberg